OLG Frankfurt: Werbung für ein Medizinprodukt mit Zweckbestimmung kann trotz CE-Kennzeichnung irreführend sein

OLG Frankfurt: Werbung für ein Medizinprodukt mit Zweckbestimmung kann trotz CE-Kennzeichnung irreführend sein

OLG Frankfurt: Werbung für ein Medizinprodukt mit Zweckbestimmung kann trotz CE-Kennzeichnung irreführend sein 1899 1266 Thomas Utzerath

Die Entscheidung:
Das OLG Frankfurt hat mit vor kurzem veröffentlichten Urteil vom 28.9.2017 (Aktenzeichen 6 U 183/16) entschieden, dass die Werbung mit der Zweckbestimmung eines Medizinprodukts auch dann gegen das gesetzliche Irreführungsverbot im Medizinproduktegesetz verstoßen kann, wenn diese Zweckbestimmung Gegenstand eines Konformitätsbewertungsverfahrens war und der Hersteller das Produkt mit einer CE-Kennzeichnung versehen hat.

Hintergrund:
Die beklagte Händlerin hatte sich im Rechtsstreit darauf berufen, dass ein Verstoß gegen das Irreführungsverbot im Medizinproduktegesetz (§ 4 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 MPG) schon deswegen nicht vorliege, weil das Produkt eine CE-Kennzeichnung trage. Zwar hat das OLG Frankfurt zugestanden, dass sich die der CE-Kennzeichnung vorausgehende Konformitätsbewertung auch darauf erstreckt, ob das Medizinprodukt die vom Hersteller vorgegebenen Leistungen tatsächlich erbringt, wozu eine klinische Bewertung vorzunehmen ist. Diese Bewertung hatte jedoch allein der Hersteller in eigener Verantwortung durchgeführt. Anders als bei Arzneimitteln ging dieser Bewertung durch den Hersteller keine behördliche Prüfung oder Zulassung voraus.
Unter diesen Umständen könne, so das OLG Frankfurt, die Vereinbarkeit des Medizinprodukts mit dem Irreführungsverbot nicht allein wegen der vom Hersteller vorgenommenen CE-Kennzeichnung als feststehend angesehen werden. Der Hersteller hätte es andernfalls in der Hand, allein mit der CE-Kennzeichnung und unabhängig von der Frage, ob die Konformitätsbewertung tatsächlich durchgeführt worden ist, die Verkehrsfähigkeit seines Produkts herbeizuführen. Das wiederum könne der Gesetzgeber nicht gewollt haben.
Im entschiedenen Fall kam aber noch die Besonderheit hinzu, dass dem Hersteller des Medizinprodukts dessen Vertrieb mit der streitgegenständlichen Zweckbestimmung im Wege der einstweiligen Verfügung rechtskräftig untersagt wurde, weil er im Rahmen des Konformitätsbewertungsverfahrens den wissenschaftlichen Nachweis für die Wirksamkeit des Produkts nicht erbracht hatte. Der Händler durfte der CE-Kennzeichnung daher von vornherein kein Vertrauen entgegenbringen.

Fazit:
Bei der Bewerbung von Wirkungen oder Anwendungsgebieten von Medizinprodukten ist Vorsicht geboten. Es reicht nicht aus, dass ein Produkt über eine CE-Kennzeichnung verfügt. Dies gilt selbst dann, wenn das Produkt zuvor mit der angegebenen Zweckbestimmung ein (erfolgreiches) Konformitätsbewertungsverfahren vor einer Konformitätsbewertungsstelle durchlaufen hat. Damit ist das Produkt zwar formell verkehrsfähig. Wirkaussagen müssen sich aber aufgrund des im Heilmittelwerberecht geltenden sogenannten Strengeprinzips stets durch wissenschaftliche Nachweise, d.h. möglichst aussagekräftige klinische Studien, belegen lassen.