Monatsarchiv :

April 2018

LG Dessau-Roßlau: Vertrieb von Arzneimitteln über Amazon verstößt gegen Datenschutzrecht

LG Dessau-Roßlau: Vertrieb von Arzneimitteln über Amazon verstößt gegen Datenschutzrecht 2508 1672 Thomas Utzerath

Worum geht es?
Das Landgericht Dessau-Roßlau hat mit Urteil vom 28.3.2018 entschieden, dass der Vertrieb von Arzneimitteln durch einen Apotheker über die Internetplattform Amazon gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen verstößt, sofern der Apotheker und/oder Amazon zuvor keine datenschutzrechtliche Einwilligungserklärung des Kunden eingeholt haben, die sich explizit auf die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung seiner Gesundheitsdaten bezieht. Die datenschutzrechtlichen Regelungen in § 4a Abs. 3 BDSG i.V.m. § 3 Abs. 9 BDSG stellten zugleich Marktverhaltensregelungen dar, deren Verletzung wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche von Mitbewerbern begründeten.

Hintergrund der Entscheidung:
Der beklagte Apotheker hatte über die Internetplattform Amazon apothekenpflichtige Arzneimittel zum Kauf angeboten. Im Rahmen des Registrierungs- bzw. Bestellprozesses (soweit der Kunde bereits registriert war) hatte der Kunde lediglich allgemein in die Erhebung und Speicherung seiner persönlichen Daten eingewilligt, nicht jedoch in die Verwendung seiner besonders geschützten gesundheitsbezogenen Daten (§ 3 Abs. 9 BDSG). Das Gericht hat insoweit die Auffassung vertreten, dass alle Angaben, die direkt oder indirekt Informationen zu den in § 3 Abs. 9 BDSG angesprochenen Datenkategorien vermittelten, zu den sensitiven Daten gehörten. Auf die Korrektheit der Schlüsse, die sie nahelegten, komme es insoweit nicht an.
Die Einwilligung des Kunden müsse sich gemäß § 4a Abs. 3 BDSG neben der allgemeinen Einwilligung zur Datenverarbeitung ausdrücklich auf diese Daten beziehen. Der Einwilligung müsse mithin zu entnehmen sein, um welche der in § 3 Abs. 9 BDSG aufgezählten Kategorien es sich im Einzelnen handele und in welchem Kontext sie unter welchen Bedingungen für welche Zwecke verwendet werden sollten. Daran fehlte es im Streitfall. Weder hatte der Beklagte selbst eine solche konkrete Einwilligung von den Kunden verlangt noch diese über Amazon erhalten. Nach Ansicht des Gerichts handelt es sich bei den für eine Bestellung von Arzneimitteln möglichen und typischen Hinweisen auf eventuell dahinterstehende Krankheiten oder gesundheitliche Situationen der betroffenen Kunden um eine besondere Art personenbezogener Daten.
Eine Ausnahme vom Einwilligungserfordernis gemäß § 28 Abs. 6 bzw. § 28 Abs. 7 BDSG komme ebenfalls nicht in Betracht. Die Voraussetzungen von § 28 Abs. 6 BDSG, wonach die Datenerhebung u.a. zum Schutz lebenswichtiger Interessen des Betroffenen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern der Betroffene aus physischen oder rechtlichen Gründen außerstande ist, seine Einwilligung zu geben, lägen im entschiedenen Sachverhalt nicht vor. Ebenso wenig seien die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes in § 28 Abs. 7 BDSG erfüllt. Danach ist die Erhebung gesundheitsbezogener Daten zulässig, wenn dies u.a. zum Zwecke der Gesundheitsvorsorge erforderlich ist und die Verarbeitung der Daten durch Personen erfolgt, die einer Geheimhaltungspflicht unterliegen. Dies trifft auf Apotheker selbst zwar zu, nicht jedoch auf die datenerhebende Internet- Handelsplattform. Diese komme vorliegend mit Daten in Kontakt, die nicht der besonderen Verschwiegenheits- und Geheimhaltungspflicht eines Apothekers unterliegen und sei zudem nicht in den Organisationsablauf seiner Apotheke eingebunden. Dadurch würden sowohl datenschutzrechtliche Vorschriften als auch Vorschriften des Apothekengesetzes und der Apothekenbetriebsordnung verletzt.
Auch läge der für einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch erforderliche Marktbezug gemäß § 3a UWG vor.
Gerade durch die Einschaltung der Plattform Amazon für den Vertrieb der Arzneimittel des beklagten Apothekers würden die dabei erhobenen Daten als wirtschaftliches Gut wie eine Ware verwendet und gespeichert. In diesem Zusammenhang sei eine Marktrelevanz gegeben, denn die dabei erlangten Daten könnten für Werbezwecke oder andere kommerzielle Zwecke verwendet werden. Es läge ein deutlicher Bezug zum Marktgeschehen vor.

Fazit:
Wer als Apotheker Heilmittel jeglicher Art, neben Arzneimitteln u.a. auch Medizinprodukte, im Versandhandelsweg über von Dritten angebotene Handelsplattformen wie etwa Amazon vertreibt, setzt sich einem erheblichen Abmahnrisiko aus. Es muss daher durch geeignete Vorkehrungen sichergestellt werden, dass der Kunde im Rahmen des Registrierung- bzw. spätestens des Bestellvorgangs ausdrücklich in die Verwendung seiner gesundheitsbezogenen Daten einwilligt.

OLG Frankfurt: Werbung für ein Medizinprodukt mit Zweckbestimmung kann trotz CE-Kennzeichnung irreführend sein

OLG Frankfurt: Werbung für ein Medizinprodukt mit Zweckbestimmung kann trotz CE-Kennzeichnung irreführend sein 1899 1266 Thomas Utzerath

Die Entscheidung:
Das OLG Frankfurt hat mit vor kurzem veröffentlichten Urteil vom 28.9.2017 (Aktenzeichen 6 U 183/16) entschieden, dass die Werbung mit der Zweckbestimmung eines Medizinprodukts auch dann gegen das gesetzliche Irreführungsverbot im Medizinproduktegesetz verstoßen kann, wenn diese Zweckbestimmung Gegenstand eines Konformitätsbewertungsverfahrens war und der Hersteller das Produkt mit einer CE-Kennzeichnung versehen hat.

Hintergrund:
Die beklagte Händlerin hatte sich im Rechtsstreit darauf berufen, dass ein Verstoß gegen das Irreführungsverbot im Medizinproduktegesetz (§ 4 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 MPG) schon deswegen nicht vorliege, weil das Produkt eine CE-Kennzeichnung trage. Zwar hat das OLG Frankfurt zugestanden, dass sich die der CE-Kennzeichnung vorausgehende Konformitätsbewertung auch darauf erstreckt, ob das Medizinprodukt die vom Hersteller vorgegebenen Leistungen tatsächlich erbringt, wozu eine klinische Bewertung vorzunehmen ist. Diese Bewertung hatte jedoch allein der Hersteller in eigener Verantwortung durchgeführt. Anders als bei Arzneimitteln ging dieser Bewertung durch den Hersteller keine behördliche Prüfung oder Zulassung voraus.
Unter diesen Umständen könne, so das OLG Frankfurt, die Vereinbarkeit des Medizinprodukts mit dem Irreführungsverbot nicht allein wegen der vom Hersteller vorgenommenen CE-Kennzeichnung als feststehend angesehen werden. Der Hersteller hätte es andernfalls in der Hand, allein mit der CE-Kennzeichnung und unabhängig von der Frage, ob die Konformitätsbewertung tatsächlich durchgeführt worden ist, die Verkehrsfähigkeit seines Produkts herbeizuführen. Das wiederum könne der Gesetzgeber nicht gewollt haben.
Im entschiedenen Fall kam aber noch die Besonderheit hinzu, dass dem Hersteller des Medizinprodukts dessen Vertrieb mit der streitgegenständlichen Zweckbestimmung im Wege der einstweiligen Verfügung rechtskräftig untersagt wurde, weil er im Rahmen des Konformitätsbewertungsverfahrens den wissenschaftlichen Nachweis für die Wirksamkeit des Produkts nicht erbracht hatte. Der Händler durfte der CE-Kennzeichnung daher von vornherein kein Vertrauen entgegenbringen.

Fazit:
Bei der Bewerbung von Wirkungen oder Anwendungsgebieten von Medizinprodukten ist Vorsicht geboten. Es reicht nicht aus, dass ein Produkt über eine CE-Kennzeichnung verfügt. Dies gilt selbst dann, wenn das Produkt zuvor mit der angegebenen Zweckbestimmung ein (erfolgreiches) Konformitätsbewertungsverfahren vor einer Konformitätsbewertungsstelle durchlaufen hat. Damit ist das Produkt zwar formell verkehrsfähig. Wirkaussagen müssen sich aber aufgrund des im Heilmittelwerberecht geltenden sogenannten Strengeprinzips stets durch wissenschaftliche Nachweise, d.h. möglichst aussagekräftige klinische Studien, belegen lassen.